Den größten Spaß haben meine Freundinnen und ich bereits im Vorfeld des 90er Festivals, für das wir schon mit langem Vorlauf Tickets erworben haben. Der Plan ist natürlich im 90er Jahre Outfit in die Partynacht zu ziehen. Es werden Tattoo-Halsketten und Scrunchies aus pinkem Samt angeschafft, Shirts mit 90er-Motiven (MTV und co.) und natürlich jede Menge Glitzerschminke.
Dann ist es endlich soweit und wir stehen in der langen Schlange auf Kanzlers Weide in Minden am Einlass. Um uns herum sind viele in noch weit spektakuläreren Outfits zu finden, als wir sie tragen. Mädchen im Sailor Moon Dress, Technojünger und Menschen in Klamotten, die in Neon-Farben nur so strahlen. Ich habe tatsächlich ganz hinten im Schrank noch ein Shirt gefunden, das ich mir seinerzeit auf der Loveparade in Berlin gekauft habe. Dazu suche ich zerrissene Jeans heraus, mache mir zwei puschelige Zöpfe und zack bin ich direkt wieder das 90th Girl.
Rund ums Programm
Als wir ankommen, heizt DJ Björn schon das Publikum an, direkt gefolgt von Mola Adebisi, den wir Kinder der 90er natürlich noch als Moderator vom Musiksender VIVA kennen. Heute steht er an den Turntables und startet mit den größten Eurodance-Klassikern in den Abend. Richtig gut finde ich, dass er darüber hinaus aber auch einiges an Grunge, Rock und Elektronischem spielt. Wir schwelgen in Erinnerungen an frühere Partys, Tanzschulzeiten, Schulzeit und erste Liebe.



Das 90er Festival hat allerdings noch mehr zu bieten und nach und nach treten so einige Stars und One-Hit-Wonder unserer Kindheit und Jugend auf. Loona geht mit dem Publikum auf Körperkontakt und lässt sich von einem Securitymann auf den Schultern durch die Menge tragen. Die Frau ist einfach seit damals kaum einen Tag gealtert. Anders als Captain Jack, der mittlerweile über 60 ist, sein T-Shirt auszieht und auf der Bühne beim Tanzen stolz seinen Bierbauch präsentiert. Einige Musikduos und -trios von damals sind in anderer Besetzung am Start. Während bei Magic Affair noch die Originalsängerin „Omen III“ schmettert und mit einem jungen Begleiter auf der Bühne steht, kennen wir von Mr. President nur noch den männlichen Sänger. Trotzdem ist die Stimmung in der Menge vor der Bühne bei „Coco Jambo“ blendend. Jeder kennt den Text, selbst die unter 20-Jährigen, die neben uns stehen. Von denen wird sogar einer beim Macarena-Flashmob auf die Bühne geholt und besteht seine fünf Minuten Ruhm mit Bravour. Beim anschließenden Facetime mit seiner Mama zurück im Publikum loben wir ihn ausgiebig und sind uns zugleich bewusst, dass die Mutter des 17-Jährigen sicher in unserem Alter ist. Jaja, man wird nicht jünger.



Essen und Getränke kann man an diesem Abend ganz entspannt mit dem Armband kaufen, auf dessen Chip wir direkt nach dem Einlass unser Budget für die Nacht geladen haben. „Loaded Fries gab es aber in den 90ern noch nicht!“, scherzt eine meiner Freundinnen. „Damals konnten wir uns den teuren Prosecco hier aber auch noch nicht leisten. Da gab es Criss Sekt oder Asti!“, kontert eine andere.

Als DJ Tonka plötzlich an den Turntables steht, habe ich meinen Fanmoment. Ich habe damals all seine Alben gekauft, als ich meine elektronische Phase hatte! Wenig später bietet DJ Tomekk den Kontrast dazu und bringt uns deutschen HipHop zurück. Wobei der Gute mit zwischenzeitlichen Ausfällen der Musik zu kämpfen hat, was aber der Stimmung keinen Abbruch tut. Last but not least steht Olli P. auf der Bühne. Der Soap-Star war auch ein One-Hit-Wonder in den 90ern. „Aber der hatte doch zwei Songs!“, sagt das Pärchen neben mir, „‘Flugzeuge im Bauch‘ und ‚Gib mir mein Herz zurück‘.“ Wir klären sie auf, dass das tatsächlich derselbe Song war. Ich hatte mich sowieso zu Beginn des Festivals gewundert, wie all diese One-Hit-Wonder, die hier in Minden auftreten, wohl ihre Slots von jeweils rund einer Stunde füllen würden. Aber tatsächlich singt jeder zusätzlich zu den eigenen Songs auch weitere Kracher aus den 90ern, was eigentlich ganz witzig ist. Da sind auch Songs dabei, die man nicht auf jeder 90er Jahre Party hört und bei denen auch ich immer wieder meine Aha-Momente habe, weil ich sie so gar nicht mehr auf dem Schirm hatte.

Alles in allem hat sich das Festival für uns auf jeden Fall gelohnt und uns auf eine kleine Reise in unsere Vergangenheit entführt. Wir kommen nächstes Mal sicher wieder. Natürlich auch dann wieder in kompletter 90er-Jahre-Montur!